Ein erneuter Aufschrei der Nation - und nicht mehr? Elisabeth Kollmeier
Erneute Berichte über EU-Schlachttiertransporte in den verschiedensten Medien haben gezeigt, daß die EU-Verordnung "Zum Schutz der Tiere auf dem Transport" (welch verheißungsvoller Titel!) das Papier nicht wert ist, auf dem es gedruckt wurde. Die Aktualität wurde bewiesen und das gern benutzte Argument der Verantwortlichen von "alten, stets neu aufgewärmten Geschichten" eindeutig widerlegt. Auch die normale "Verschärfung" der Richtlinie durch die EU im vergangenen Jahr hat den Tiermißbrauch erwartungsgemäß weder kontrollierbarer gemacht, noch verhindert sie ihn. Für uns Tierschützer und alle, die sich mit der Thematik beschäftigen, steht fest: Die EU-Tiertransportrichtlinie ist nichts als Augenwischerei! Die schlimmsten Szenen spielen sich auf Transporten aus und durch Osteuropa ab. Auch deutsche Speditionen wählen inzwischen gern den Umweg über die sogenannte Ostroute, auf der so gut wie nie Kontrollen stattfinden. Wenn hier Mißstände aufgedeckt werden, dann durch Tierschützer, die sich mit ihrem Eintreten für die Tiere nicht selten in größte Gefahr begeben. Im Osten greifen die Verordnungen der EU nicht. Aber kann, muß die EU nicht die Einfuhr aus Ländern, die sämtlichen Tierschutz und damit die Gesetze einer zivilisierten Gesellschaft gänzlich ignorieren, verweigern? Die Wirtschaft Osteuropas ist angeblich auf diesen Absatzmarkt angewiesen. Die Länder Osteuropas profitieren also davon. Haben sie mit den Vorteilen, die sie dadurch genießen, nicht auch Pflichten zu erfüllen? Und wäre es nicht auch Pflicht der EU, tierschonenden Transport zur Grundvoraussetzung für Einfuhrgenehmigungen zu machen? Die Einhaltung solcher Forderungen läßt sich natürlich nur durch ausreichende Kontrollen garantieren. Es müssten Tausende von Arbeitsplätzen geschaffen werden, um Mißstände auch nur annähernd kontrollierbarer zu machen und zu beseitigen. Angesichts leerer Kassen nicht realisierbar? Oder mangelt es vielleicht auch an politischer Bereitschaft? Andererseits: neue Arbeitsplätze braucht das Land. Und nicht nur Deutschland! Es kann jedenfalls nicht Aufgabe der Tierschützer sein, von der Wirtschaft bewußt in Kauf genommenes Tierleid aufzufangen und bis zur eigenen körperlichen und seelischen Erschöpfung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, damit endlich auch die Verantwortlichen reagieren. Nicht nur das Engagement der Bürgerinnen und Bürger (denn nichts anderes sind Tierschützer) ist gefordert, es bedarf auch Persönlichkeiten aus der Politik, die sich nicht scheuen den Druck - auch in den eigenen Reihen - zu verstärken, um ein Europa zu schaffen, das sich seines Umgangs mit den Tieren nicht schämen muß. So wie die Nutztiere in den Massenställen vor der Außenwelt abgeschirmt werden, so wie das große Schlachten vor den Augen der Öffentlichkeit versteckt wird, so soll auch das Tierleid auf den tage-, ja wochenlangen Todestransporten totgeschwiegen werden. Und viele Menschen, unter ihnen leider auch Politiker, leben scheinbar immer noch gern nach dem Motto: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Es ist die Aufgabe des Gesetzgebers, Gesetze so zu formulieren, daß sie umsetzbar sind. Statt dessen wird die ehrenamtliche und kräftezehrende Arbeit des Tierschutzes mit Füßen getreten. Damit finden wir uns nicht ab! Wir haben es aber satt, daß wir, wenn wir Öffentlichkeit und Politik über die herrschenden Mißstände informieren möchten, als lästig, aufdringlich oder gar "mediengeil" eingestuft werden. Man sieht in uns allzu gerne willige Zuträger von Informationen, die jedoch für eine Veröffentlichung erst "gefiltert" werden müssen. Wir werden abgespeist mit Versprechen und Zusagen, deren Einhaltung aber nicht relevant zu sein scheint. Tierschützer stellen nun mal keinen wirtschaftlichen Faktor dar! Der Tierschutz braucht auch eine für neue Sichtweisen aufgeschlossene Presse! Das Bundesverfassungsgericht hat erst kürzlich in seinem Urteil zur Hennenhaltungsverordnung bestätigt, daß die Belange des Tierschutzes nicht ohne weiteres wirtschaftlichen Erwartungen geopfert werden dürfen. "Alle Handlungen zugunsten mißbrauchter und ausgebeuteter Tiere - in Worten und Taten - bilden die sittlich fundierten Gerechtigkeitsvorstellungen", lautete der Kernsatz des Urteils. Diese Aussage des BverfG der Öffentlichkeit zu vermitteln, sollte auch Aufgabe eines verantwortungsbewußten Journalismus sein. Elisabeth Kollmeier |